Ich fahre langsam und gemächlich durch die von Sonne durchflutete Allee, alles ist mir so vertraut. Der warme Fahrtwind weht durchs offene Fenster und wirbelt meine roten Haare durcheinander. Wie ich diesen Weg liebe und je näher ich meinem Ziel komme, umso aufgeregter werde ich. Ich weiß nicht, wie oft ich ihn schon gefahren bin, diesen Weg. Früher, in meiner Kindheit mit meinen Eltern im Sommerurlaub, später, als mein Vater nicht mehr lebte, mit meiner Mutti Monika einmal im Jahr. Drei Tage nur für uns. Um Erinnerungen aufleben zu lassen. Und seitdem sie 2016 plötzlich, durch eine kurze schwere Krankheit aus dem Leben gerissen wurde, nun allein.
„Sie haben maximal acht Wochen.“ So hatte die Ärztin damals, im Juni 2016, zu meiner Mutter gesagt. Diagnose „Unheilbar krank.“ Und mir war klar, dass ich am Ende des Sommers keine Mutter mehr haben würde, keine Eltern. Das tat verdammt weh! Und tut es immer noch.
Am Tag der Diagnose haben wir Beide uns aus dem Staub gemacht. Hatte meine Arbeit Arbeit sein lassen, statt dessen für uns gebucht, drei Tage Kühlungsborn. Und am letzten Tag wie immer einen Abstecher zu unserem Campingplatz gemacht. Wie jedes Jahr. Die kommenden acht Wochen haben wir gemeinsam verbracht. Dafür bin ich unendlich dankbar. Liebe vergeht nie!
Heute bin allein unterwegs, mit mir und meinen Gedanken und das ist auch gut so. Denn heute ist der Tag, vor genau zwei Jahren, wo ich Loslassen musste. Emotionen kommen hoch und ich lasse sie zu, während ich mir still eine Träne mit dem Handrücken aus dem Gesicht wische. Und gleich werde ich da sein, an einem Platz, welcher für mich Kindheit bedeutet. Ich biege rechts ab und der Blick wird frei zur See. Meiner, unserer geliebten Ostsee. Dem Salzhaff in der Mecklenburger Bucht. Fahre langsam zur Schranke vor, parke und steige aus. Und während ich meine Schuhe von den Füßen streife, um barfuß durch den warmen Sandweg über unseren Campingplatz zu schlendern, schweifen meine Gedanken zurück.
„Den Sommer verbrachten wir jedes Jahr an der Ostsee, auf einem Campingplatz direkt am Meer. Offiziell gab es keine Ferienplätze für selbständige Unternehmer; Handwerker waren ein Dorn im Auge der DDR. Da wurde sich eben selbst etwas gesucht, und so kamen wir zum Campen. Ein kunterbunt gestaltetes Schild, bei dem ich meiner kindlichen künstlerischen Ader freien Lauf lassen durfte, kündigte an der Werkstatt unsere dreiwöchige Abwesenheit an: >> Wir haben Urlaub. Vom … bis … << Jedes Jahr drei Wochen: endlich Freiheit, frische Luft und keine Zwänge. Hauptsache man war zum Essen da.
Ich war den ganzen Tag unterwegs mit Freunden, Kinder gab es ja genug. Ein Fussballplatz war vorhanden, ein Kinozelt, ein Konsum, in dem wir unsere Lebensmittel erstanden, dazu ein Lädchen mit Schmuck und allerlei Krimskrams. Dort gab es alles, was die Herzen kleiner Mädchen höher schlagen ließ. Ich drückte mir oft die Nase am Schaufenster platt, denn jeden Abend hatte die Inhaberin die Auslagen gewechselt. Dort wurde mein Feriengeld von Oma Elli für Steinmännchen, Bernsteinarmbänder und allerlei Schnickschnack umgesetzt.
Wir fuhren viele Jahre mit dem Zelt dorthin, später, nachdem es glatte drei Wochen durchgeregnet hatte mit dem Wohnwagen, einem Bastei.“
Quelle: Mein Buch „FritzGlock Fenstergeschichten“
Manche Dinge ändern sich nie. Zum Glück! Die Wege hier auf dem Zeltplatz sind in all den Jahren nicht gepflastert worden, alles ganz natürlich. Viel Natur, Sand, Kiefern, vom Sturm gezeichnet, säumen den Weg. Bäume ringsum. Beim Laufen muss man nach unten schauen, um nicht auf die kleinen, harten Kiefernzapfen zu treten. Damals wie heute. Denn das tut höllisch weh.
Ich setze mich ans Ufer und lasse die letzten beiden Tage Revue passieren. Kühlungsborn. Dorthin hatten wir früher immer einen Abstecher vom Zeltpatz aus gemacht. Um im offenen Meer zu baden. In sehe mich in Gedanken als kleines Mädchen, mit dunkelbraunen Zöpfen, an der Hand meiner Mutter auf der Abgrenzung zur Strandpromenade entlang balancieren. Habe in den letzten beiden Tagen all das gemacht, was wir Beide immer gemeinsam unternommen haben. Eine Fahrradtour, Einkehren in den gleichen Strandcafes, am Strand und der Uferpromenade entlang schlendern.
„Wie in jedem Brett noch ein Baum steckt, haben unsere Fenster Wurzeln.“ Familienwurzeln. Ihr werdet Euch fragen, warum ich das erzähle? Weil es mir wichtig ist. Familie + Betrieb = Familienbetrieb.
Familie und Firma lassen sich bekanntlich nicht trennen und das ist auch gut so. Ich bin in unserer kleinen Tischlerei in Kraftsdorf aufgewachsen, habe somit viel Zeit mit meinen Eltern verbringen können und habe schöne Erinnerungen daran. Im Erdgeschoss befand sich unsere Werkstatt und darüber wohnten wir. Somit habe ich eine besonders enge Bindung zu unserem Familienbetrieb FritzGlock, welchen ich mit meinem Sven seit über zwanzig Jahren gemeinsam führe. Es ist schön, solche Wurzeln zu haben und diese in unser tägliches Tun mit Herzblut einzubringen. Wer mein Büchlein „Fenstergeschichten“ gelesen hat, bekommt nun ein Bild zu einen kleinen Teil meiner Erzählungen.
Es ist wunderbar, unsere Firma FritzGlock im Sinne meiner Eltern mit meinem Sven weiterzuführen, mit einem Team, welches so tickt wie wir. Unser ältester Sohn Fritz unterstützt uns in 5. Generation in unserm Familienunternehmen und unser „Kleiner“ macht momentan eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Mal sehen…
Produkte kann man bekanntlich kopieren, Worte auch. Aber die Art, was man macht, wie man es macht und wie man miteinander umgeht eben nicht.
Und zum Schluss, ein riesen Dankeschön an unsere Kunden, die dazu beitragen, das wir gut zu tun haben. Uns einfach immer wieder weiterempfehlen. Ihr seid toll!
Herzlichst, Eure Katrin